Der Zustand der Chemieindustrie

Zurück aus der Sommerpause möchte ich kurz auf den Zustand der Chemieindustrie in Deutschland eingehen.

Als ich letztens mal den Aktienkurs der BASF angeschaut habe, bin ich ein bisschen erschrocken. Momentan ist der Kurs so tief wie seit fast zehn Jahren nicht mehr. Auch die Kurse von Bayer, Covestro, Wacker und Henkel sind von ihren Höchstständen (von ca. 2017) entfernt.

Vermutlich haben wir es also nicht (nur) mit einer coronabedingten Schwäche zu tun, sondern mit einer tieferen Ursache für den schlechten Zustand der Chemieindustrie.

Man kann hier spekulieren, und das will ich auch tun. Ein großer Abnehmer für Produkte der chemischen Industrie ist die Automobilindustrie, die Kunststoffe, Prozessstoffe, Dichtungen, Schäume, Kunstfasern, etc. benötigt, um ein Automobil herzustellen. Für den Betrieb dieser Automobile werden dann neben dem Treibstoff noch Schmiermittel, Harnstoff, etc. nachgefragt. Geht es der Automobilindustrie in Deutschland schlecht, dann merkt das also auch die Chemieindustrie.

Meiner Meinung nach hat die Automobilindustrie verschlafen, dass die Nachfrage nach Verbrennungsmotoren und vor allem nach den deutschen Dieselmotoren absehbar einbricht. Vermutlich wurde sogar aktiv auf die Politik eingewirkt, um den Zeitpunkt für strengere Regulierung dieser Antriebstechnik herauszuzögern. Aber ich schweife ab.

Wie zukunftsfähig ist die chemische Industrie?

Das klingt nach einem Sakrileg. Die Chemie ist doch die zentrale Wissenschaft für die Herausforderungen der Zukunft. Kann es trotzdem sein, dass die chemische Industrie den Wandel zu mehr Nachhaltigkeit verschläft oder verschlafen hat? Bis 2030 sollen immerhin die Emissionen gesenkt werden, beispielsweise durch Elektrifizierung von bisher konventionell geheizten Prozessen. Das sind noch zehn Jahre! Und was ist mit den Rohstoffen? In einem Post von 2018 habe ich über die Rohstoffwende geschrieben und die viel ältere Idee einer zirkulären Kohlenstoffwirtschaft.

Schreiben und ankündigen kann man ja viel.

Und wie ist der Stand?

Es gibt eine eigene Rubrik zur zirkulären Wirtschaft beim VCI. In einem pdf zur Branchenstrategie:

Die Roadmap [Chemie 2050] zeigt, dass eine weitgehend treibhausgasneutrale Chemieproduktion in Deutschland bis 2050 technologisch denkbar ist. Vor allem neue Wege der Kreislaufführung durch mechanisches und chemisches Recycling und die Nutzung von Biomasse, CO2(Kohlenstoffkreisläufe) und eine CO2-freie Wasserstoffherstellung machen dies möglich.

https://www.vci.de/ergaenzende-downloads/2020-03-11-branchenstrategie-zirkulaere-wirtschaft-vci.pdf

Aber „[d]ie Industrie muss auch in Zukunft mit Fachkräften und Spezialisten versorgt werden, um Innovation und Entwicklung voranzutreiben“.

Da droht also wieder ein Fachkräftemangel! Ansonsten wirkt das alles zumindest von außen viel zu behäbig. Und ja, man muss das Geld für die Transformation mit den alten schmutzigen Produkten verdienen, das war zumindest die Ausrede der Automobilindustrie…

Bild von MonikaP auf Pixabay

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