Anfängerzahlen im Chemiestudium

Um vorausahnen zu können, wie zukünftig der Arbeitsmarkt für Chemiker aussehen könnte, ist es hilfreich, die Anfängerzahlen im Chemiestudium zu betrachten.

Die GDCh stellt daher jedes Jahr diese Anfängerzahlen vor. Darüber habe ich bisher auch öfters berichtet (detailliert in den Jahren 2014, 2015, 2016 und 2017). Interessant und lesenswert sind auch die Kommentare unter den Seiten. Dieser Beitrag wurde 2020 geschrieben und 2021 aktualisiert.

Hier möchte ich versuchen, ein bisschen in die Zukunft zu schauen. Aber schauen wir zunächst die akutellen Zahlen der GDCh an. Im ersten Bild sieht man, dass die Anfängerzahlen für Chemie seit 2017 wieder sinken, von über 7000 sind wir inzwischen bei unter 6000 Studierenden in Deutschland.

Im Coronajahr 2020 sind die Zahlen vergleichbar zu 2019 geblieben.

Entwicklung der Anfängerzahlen aller Chemiestudiengänge

Ich entnehme der Broschüre etwas weiteres Interessantes. Nur sehr wenige der befragten Bachelorabsolventen suchen einen Job, der Großteil macht mit dem Master weiter. Danach promovieren ca. 75% an derselben Hochschule, 12% an einer anderen Hochschule und unter 10% beenden ihr Studium mit dem Eintritt ins Berufsleben.

Promotionen

Bei den Promotionen sollten wir den Anfängerzahlen im Chemiestudium ca. sieben bis zehn Jahre nachlaufen, das heißt, dass man ab 2008 einen Anstieg sehen kann, der dann 2020 bis 2024 ein Maximum hätte.

Durch Corona könnte es sein, dass sich Promotionen 2020 bis 2022 verzögern und sich die Kurve verschiebt. Mal sehen, ob man das in den nächsten Jahren auch wirklich sieht. Natürlich gibt es für die Zahl der Promotionen weitere Faktoren, wie die Attraktivität des Arbeitsmarktes für nicht-promovierte Chemiker.

Promotionszahlen im Studiengang Chemie

2019 waren immer noch knapp 10% der Promovierten stellensuchend, unter 40% sind in die chemische Industrie gegangen. 2020 wurden weniger stellensuchend, eventuell wegen längerer Promotionen?

Interessanterweise waren sehr wenige im Ausland, dieser Anteil wird von Jahr zu Jahr kleiner. Warum ist das denn so? Ist man inzwischen im Studium schon lange genug weg?

Meine alte Prognose

Hier ein Zitat von 2015:

Daraus leite ich ab, dass auch in den nächsten 5-10 Jahren kein Fachkräftemangel in der Chemie zu befürchten ist. Die schulische Förderung von Chemie scheint auch gut zu funktionieren, oder wollen wir, dass noch mehr Schüler ein Chemiestudium beginnen?

https://blog.stellen-fuer-chemiker.de/zahlen-zu-den-chemiestudiengaengen-von-der-gdch/

Ich würde sagen, dass wir weiterhin keinen Fachkräftemangel bei Chemikern haben, oder?

6 Gedanken zu „Anfängerzahlen im Chemiestudium“

  1. Die Frage, die ich mir zum Thema „Fachkräftemangel“ in den MINT-Fächern immer stelle, ist, ob es JEMALS einen Fachkräftemangel unter Spezialisten in der Chemie (Absolventen mit M. Sc. oder Dr. rer. nat.) gegeben hat. Die meisten Statistiken, die hier zitiert werden, sprechen immer vom allgemeinen Fachkräftemangel, also auch Leuten mit normalen Ausbildungsabschluss (Chemikanten, Laboranten, CTAs, Techniker), meist über alle Naturwissenschaften (inkl. Informatik und techn. Ingenieursberufe) hinweg und eine große Zahl wird dramatisch serviert. Auf einzelne Studiengänge wird meist gar nicht weiter aufgeschlüsselt und über Chemiker, Physiker oder Biologen mit Promotion kann man meist gar KEINE DIREKTEN Aussagen mehr treffen, bzw. die Zahl am Ende ist dann doch eher klein. Meine Persönliche Meinung: Der Stellenmarkt für Chemikerabsolventen wird seit Jahren schwerer, viele konkurrieren um wenige gute Stellen in der Großindustrie und Pharma, die dann auch nach Tarif zahlen, die die GDCh immer so schön präsentiert und damit Studierende und Interessierte anlockt. Offizielle Zahlen von Studierenden und Absolventen, die oben gezeigt werden, sind seit Jahren ja stabil bzw. steigen noch leicht und verschärfen die Situation weiter. Die meisten schreiben sehr viele Bewerbungen im 200 km Radius und hoffen auch mal auf ein Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Ein langer Atem ist hier erforderlich und die Jobsuche kann dauern, wenn man nicht das Top-Profil erfüllt. Insbesondere zu den aktuellen Corona-Zeiten wird die Situation wohl noch unangenehmer. Die Einstiegsgehälter im Mittelstand und kleineren Unternehmen liegen zusätzlich deutlich unter den offiziellen Zahlen im Tarifvertrag.
    Zum Thema PostDoc: Wer strebt nach Jahren des Studiums und der Promotion knapp unter 30 oder schon darüber wirklich noch einen weitere auf 1-2 Jahre befristete Stelle an, außer wenn er es für die akademische Laufbahn zwingend benötigt? Richtig, sehr wenige vermutlich.
    Ich hoffe, ich habe nicht alles zu schwarz gemalt, aber das ist meine aktuelle persönliche Meinung. Gruß

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    • Hallo EinDoktorand,
      vielen Dank für Deinen Kommentar. Auch ich vermute, dass der sogenannte „Fach“kräftemangel tatsächlich eher die „Fach“arbeiter betrifft, also Ausbildungsberufe. Erstaunlich ist für mich, dass die Studierendenzahlen immer weiter ansteigen für die Chemie, auch wenn die Aussichten, einen guten Job zu finden, eher mittelmäßig sind. Und in den Gegenden, wo die Arbeit ist, kann man sich kaum noch Wohnraum leisten, auch als Promovierte, die ja typischerweise etwas weg sind vom elterlichen Grundstück… aber das wäre ein Thema für zukünftige Posts.

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    • Seit dem Kommentar ist ein Jahr vergangen, aber ich sehe das auf dem Arbeitsmarkt auch so und immer noch – eine Entspannung ist auf jeden Fall nicht in Sicht. Der „Fachkräftemangel“ herrscht vorrangig in den Ausbildungsberufen (Chemikant, Chemielaborant etc.) und hier tobt auch ein starker Wettbewerb unter den Unternehmen.

      Stellen für Chemiker sind hingegen einfacher zu besetzen (je nach gewünschten Kenntnissen und Abschluss), da hier mehr Bewerber auf dem Markt zu finden sind.

      Zu sehen sind leider immer wieder Chemiker (oder auch sehr stark vertreten Biologen), die später nicht in ihrem Beruf arbeiten.

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    • Hallo,
      die rosigen Zeiten für Chemiker sind voll längst vorbei. Ein promovierter Chemiker, der
      bei den ehemaligen Farbwerken Höchst angestellt war und über der Werkswohnung
      meines Vaters wohnte, riet mir statt Physik Chemie zu studieren. Bei den Farbwerken hätte man als Chemiker tolle Berufschancen und bekäme im Alter zusätzlich eine gute Betriebsrente. So wurden z.B. von der BASF Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts Busfahrten mit Besichtigung im Firmengelände organisiert. Zur Mittagszeit
      saß man in der Betriebskantine an langen weißgedeckten Tischen. Es wurde Wein
      gereicht zu einem opulenten Essen. Junge Betriebschemiker versuchten uns in Gesprächen für die Firma zu begeistern.
      Während meiner Tätigkeit als Werkstudent bei der Degussa in der Natriumamidproduk-
      tion erzählte mir der dortige Betriebschemiker er hätte nach dem Abschluß seines Studiums in den 60er Jahren unter 30 Stellenangeboten auswählen können.
      Die Zeiten für Chemiker waren damals rosig!
      Der Arbeitsmarkt für Chemiker änderte sich aber nach der Ölkrise in den 70er Jahren
      dramatisch. Promovierte Chemiker bewarben sich Mitte der 70er Jahre auf Chemie-
      laborantenstellen und erhielten prompt eine Absage. Die chemische Großindustrie
      stellte überhaupt keine Chemiker mehr ein. Die Zahl der Chemiestudierenden halbierte
      sich. Professoren dozierten vor halbleeren Hörsälen. Arbeitslose Chemiker versuchten
      im Schuldienst unterzukommen, was bis 1973 noch problemlos gelang. Andere Absolventen verdingten sich als Pharmareferenten oder nahmen ein Zweitstudium in
      der Medizin auf. Abiturienten studierten statt Chemie nunmehr Biochemie.
      Professoren der Goethe-Uni in Frankfurt versuchten ca. 30 abgelehnte Bewerber für
      das Biochemiestudium zum Chemiestudium zu überreden, was Ihnen auch gelang.
      Es war seit langem der größte Zuwachs an Studierenden in diesem Fachbereich!
      Die GDCh plädierte für ein geändertes Studienmodell, das sogenannte Würzburger
      Modell.
      inden letzten Jahrzehnten hat sich die Zahl der Chemiestudenten wieder erhöht und
      auch die Großindustrie stellte wieder Absolventen ein. Trotzdem ist der Arbeitsmarkt
      angespannt. Mein Neffe ist nach einer Tätigkeit bei 4 Firmen als promovierter Chemiker
      seit 10 Jahren arbeitslos. Er hat keinen Plan B.

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  2. Dankeschön! Die Zahlen finde ich – obwohl bei mir das Chemiestudim schon eine ganze Weile her ist – immer wieder interessant!

    Für mich der Altbekannte Schweinezyklus (wobei die Aussichten für Chemieabsolventen seit 30 Jahren eher zwischen schlecht und mittelmäßig mäandrieren)

    Würde das aber als eine absolut positive Entwicklung sehen. Weder wird (in Deutschland) diese Masse an Chemikern jetzt, noch in naher Zukunft benötigt und die Nischen für einen Quereinstieg sind nun mal sehr begrenzt.

    Die Frage warum nicht mehr ins Ausland gehen ist für mich so zu erklären, dass es im europäischen Umland nicht besser eher schlechter aussieht. Tendenzielle habe ich auch das umgekehrte Phänomen erlebt, dass viele gut ausgebildete aus den wirtschaftlich gebeutelten Regionen (Spanien, Griechenland…) zu uns kamen und den Kampf am auf den Personalmarkt noch befeuert haben. Über den Teich geschaut sieht/sah es ja auch nicht besser aus (von C&CE).

    „Chemists React to Worst Unemployment Data in 40 Years“
    https://www.youtube.com/watch?v=-UehKDyGi6Q

    Die einzigen die hier ein „Problem“ sehen sind einige Schreiberlinge vom GdCh. Wahrscheinlich wird da auch noch Absolventenmangel propagiert, wenn die Chemiker Arbeitslosigkeit der 90er demnächst wieder erreicht wurde. Aber anstatt die Missstände offen und ehrlich zu kommunizieren kann sich dort der/die junge Absolvent/in noch den Spot und die Häme zu Gemüte führen was alles falsch im CV ist…

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    • Danke für den Kommentar. Sehe ich auch so. Mich wundert halt, warum immer weniger Postdoc machen. Aber wenn danach die Aussichten auch nicht besser sind, lohnt es sich wohl nicht…

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