Chemieindustrie ohne Erdgas?

Nach den Verwerfungen der Lieferketten durch Corona hat der Krieg in der Ukraine weitere Engpässe hervorgebracht. Das ist soweit bekannt und erfolgreich verdrängt. Gut, dass Russland weiter Erdgas liefert. Moment, da war doch was…

Letztes Jahr waren ja die deutschen Gasspeicher schon nicht so gefüllt, wie das möglich gewesen wäre. „Deutsche“ Gasspeicher ist hier aber nur teilweise richtig, der größte gehört ja Gasprom…

Es ist ja bekannt, dass die BASF diesen Speicher in einem Tauschgeschäft an Gazprom abgab. Und zwar nach der Besetzung der Krim durch Russland. Jetzt ist das Jammern zurecht groß, aber wieso war die BASF 2014/2015 so blauäugig? In meinen Augen und im Rückblick war das kein gutes Risikomanagement, den Speicher für einen der wichtigsten Rohstoffe zu verkaufen.

Jetzt besteht die Gefahr, dass aufgrund des Gasmangels wichtige Rohstoffe nicht mehr in Deutschland produziert werden können. Das betrifft die Düngemittelherstellung, aber auch das Erdölcracken, das immense Energiemengen benötigen.

Kurzfristig wird das Gas höchstens durch anderes Erdgas (sprich LNG) ersetzt werden können. Das wird teurer und es muss die Infrastruktur (vom Steuerzahler?) geschaffen werden.

Alternativen zu Erdgas?

Langfristig soll das Gas ja durch grünen Wasserstoff ersetzt werden. Aber ich befürchte eher, dass die Industrie dorthin abwandert, wo die Bedingungen besser sind (Kosten, Arbeitskräfte…), z.B. in die USA zum Fracking. Warum?

Für einen Ersatz des Gases werden in einem EU-Szenario 340 TWh Wasserstoff benötigt (Quelle: Fraunhofer Wasserstoff-Roadmap). In Deutschland müssten 80 GW Elektrolysekapazität aufgebaut werden, was 1600 t Wasserstoffproduktion pro Stunde entspricht.

Eine Firma in Deutschland ist Sunfire, die für 2023 eine Produktionskapazität von 500 MW pro Jahr plant. Wir brauchen also 80 weitere Firmen mit dieser Kapazität, dann schaffen wir das in zwei Jahren… in Deutschland. Das klingt soweit etwas unrealistisch in dieser kurzen Zeit. Aber laut EU-Plan ist das Ziel des Ausbaus das Jahr 2050.

Solange kann die Industrie nicht warten, und beim Ausbau der erneuerbaren Energien geht es ja auch schleppend voran. Von der Speicherung gar nicht zu reden.

Das liegt auch an der Demographie, die uns Chemikern momentan eine ungeahnte Auswahl an offenen Stellen beschert. Das könnte aber zusätzlich zu einer verstärkten Abwanderung führen. Aber vielleicht bin ich ja zu pessimistisch. Liebe Leser, was meint ihr?

Photo by Mykola Makhlai on Unsplash

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