Chemische Start-ups sind nicht so zahlreich. Aber es gibt zentrale Stellen, wo man sie finden kann (hier ein Link zu einem weiteren Post über Start-ups). Das Jungchemikerforum Siegen hat ein Webinar mit dem Titel „Reasons to start up“ veranstaltet und das Video in Youtube veröffentlicht.
Hauptredner ist Michael Bauer von Carbolution. Das Video ist wirklich sehr gut und Michael Bauer scheint eine interessante Persönlichkeit zu sein.
Ich habe versucht, seine Hauptaussagen aus meiner Sicht herauszudestillieren.
- Nicht jeder muss ein Start-up gründen. Aber man sollte es als Option betrachten.
- Herr Bauer hat alleine gegründet. Es ist nicht immer wichtig, ein großes Team zu haben.
- Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Das ist eine Kernaussage.
- Man braucht einen Plan für die Firmengründung. Das muss man aber nicht alleine machen. Hilfe gibt es beispielsweise von z.B. SIKB, GründerCampus Saar, Agentur für Arbeit, KfW,…
- Das Business-Model beruht darauf, dass Forschungschemikalien in der EU viel teurer sind als in Asien oder der USA. Grund ist, dass es in Europa ein Oligopol großer Firmen gibt. Die Ziegruppe für Carbolution sind nur Universitäten und Forschungsinstitute. Das ist die Nische der Firma.
- Herr Bauer nennt das finden eines Business-Models Connecting the dots.
Anschließend gab es noch einen Teil über das Gründen allgemein.
- Einige Start-up-Gründer fühlen sich stark unter Druck. Eventuell sind sie aber nicht die Typen dafür. Man muss sich fragen: Mag man ein Start-up führen? Wenn ja, sollte man es machen.
- Ist Gründen riskant? Ja, aber auch in großer Firma gibt es Risiken. Herr Bauer hat jedes Mal andere Beispiele für Firmen, die Probleme haben. Momentan z.B. die Lufthansa.
- Starkes Wachstum ist nicht so wichtig, wenn man langfristig organisch wachsen möchte.
- Gehalt nicht so wichtig. Er hat 350.000 in 10 Jahren verdient. Aber er ist Eigentümer einer Firma und hat eine große Flexibilität.
- Nochmal als Fazit: Mach deinen eigenen Plan, geh Deinen eigenen Weg.
Wie oben schon gesagt, ich fand das Video sehr gut. Sowohl lehrreich als auch unterhaltsam.
„Gehalt nicht so wichtig. Er hat 350.000 in 10 Jahren verdient. Aber er ist Eigentümer einer Firma und hat eine große Flexibilität.“
Einerseits kann seine Firma in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch weiter wachsen und sein Einkommen ist nach oben hin quasi offen.
Andererseits ist das eine eher magere Bilanz, wenn man sich ansieht was ein angestellter Chemiker in der Zeit verdient hätte. 35.000 Euro pro Jahr, von denen er dann noch die Lasten eines Selbsttändigen stemmen muss (Altersvorsorge, Krankenversicherung, u.a.) sind sehr weit unter üblichen Chemiker-Einkommen und sogar deutlich unter einem üblichen Laborantengehalt. So ein schmales Einkommen in Kombination mit dem späten Berufseinstieg eines promovierten Chemikers muss man sich erst mal leisten können.
Das stimmt schon, viel ist das nicht im Vergleich zum Gehalt von Chemikern in großen Unternehmen. Aber wie Herr Bauer sagt, jeder hat die Chance, seinen eigenen Weg zu finden.
Ich finde es auch sehr bemerkenswert, wie er seinen Weg gemacht hat und gönne ihm jeden Erfolg.
Bei Startups wird – naturgemäß – sehr viel positive Marketingsprache verwendet. Über die schmalen oder ausbleibenden Erfolge hört man dann leider weniger. Deshalb finde ich es gut, dass hier auch über Zahlen geredet wird.
Nach meiner Wahrnehmung sind Startups im Chemie-/Life Science-Bereich oft erst ab dem Zeitpunkt lukrativ für den Gründer, wenn die Firma an einen Konzern verkauft wird. Dann springt ein hoher Erlös und/oder ein gut dotierter Posten für den Gründer raus.
Das sehe ich als häufiges Startup-Modell: Ein paar Jahre für kleines Geld buckeln, um die große Konkurrenz mit Flexibilität und niedrigen Preisen zu unterbieten und dann auf den Verkauf der Firma hoffen. Ein eigenständiges Überleben am Markt schaffen in diesem von marktmächtigen Konzernen geprägten Umfeld nur wenige Startups.
Insofern erfüllen Startups eine wichtige Funktion am Markt: Sie tragen Innovationskraft und Flexibilität bei, die sich in Konzernen nicht so leicht entfalten können. Startups sind quasi ein Teil der F&E Landschaft, allerdings ein aus Konzernsicht ausgelagerter.
Ein guter Kommentar, vielen Dank!