Eine alte Regel in der Welt der Promi-Magazine ist, dass man Fragen in Überschriften in der Regel mit „Nein“ beantworten kann. So ist meine Frage zur agilen Chemieindustrie nicht gemeint, für mich ist die Antwort da offen.
Wem es ähnlich geht wie mir, der kann am 15. Oktober 2019 nach Essen zu einer VCW-Konferenz fahren. Thema wird auf neudeutsch „Tanker or Speedboat? Agile Management in the Chemical Industry“ sein.
Tanker or Speedboat?
Für mich ist der Titel der Konferenz mehrdeutig. Tanker oder Schnellboot – das könnte schon wertend sein oder aber bedeuten, dass man sich klar werden muss, ob das eigene Unternehmen ein Tanker oder ein Schnellboot ist oder vielleicht eine Flotte verschiedener unterschiedlicher Schiffe.
Mir gefällt die zweite Variante besser, weil das heißt, dass sich die Unternehmensführung für eine Strategie entscheiden muss.
Vorbild Automobilindustrie?
Customer orientation, faster time-to-market and fail-early are key elements of agile processes and the related organizational structures. They are the answers to the challenges of the new VUCA business world and the accelerating pace of change. Here the Chemical Industry can learn from other industries, e.g. Automotive.
siehe Link zur Konferenz oben
Ob es wirklich eine „neue“ VUCA (volatile, uncertain, complex, ambiguous) Welt gibt? Oder muss hier das Buzz-Acronym zusätzliche Aufmerksamkeit generieren? Dann fehlt mir noch Scrum und machine learning in der Beschreibung ;).
Den Problemstellungen stimme ich aber zu. Auch mag die operative bzw. die Produktionsseite in der Automobilindustrie teilweise schon Antworten auf Fragen wie Time-to-market oder Fail-early haben, die Strategie besonders der großen und alten deutschen und amerikanischen Automobilkonzerne wirkt auf mich nicht besonders frisch und agil. Auch die Abgasproblematik bei Dieselmotoren war kein fail-early, im Gegenteil.
Oder meint man hier mit Agilität vielleicht auch das, was Toyota seit circa 70 Jahren mit seinem TPS/Lean macht?
Lean und die agile Chemieindustrie
Was auch immer hier gemeint ist, ich finde, das ist ein spannendes Thema, auch für das Innovationsmanagement. Besonders, weil es zwischen Prozessindustrie und Automobilindustrie und Maschinenbau große Unterschiede gibt.
Um ein paar zu nennen: In der Prozessindustrie fertige ich kontinuierlich oder in Batches, habe oft Rohstoffe und Fertigwaren mit begrenzter Haltbarkeit und weiß oft nicht so viel über meine Rohstoffe außer den Namen und die Spec. Schließlich habe ich besonders in der Formulierung unzählige Wechselwirkungen, die ich vorher nicht berechnen kann.
In der Automobilindustrie habe ich diskrete Einheiten als Produkt, meine Bauteile und Fertigprodukte haben meist recht lange Haltbarkeiten und ich kann oft auf ein Baukastensystem zurückgreifen und einzelne Eigenschaften getrennt optimieren.
Daher finde ich die Konferenz interessant und würde mich freuen, wenn daraus der eine oder andere Artikel oder vielleicht sogar ein Buch über die „Agile Chemieindustrie“ werden könnte.