2024 – Wandel in der Chemieindustrie

In meinem persönlichen Ausblick auf das kommende Jahr versuche ich, optimistisch zu sein, um den Einfluss des Vorjahres ein bisschen auszugleichen. Das ist aber gar nicht so einfach.

Politik

2024 wird politisch sehr spannend. Die Ampel war ja angetreten, um die Politik so zu gestalten, dass Deutschland fit für die Zukunft wird. Dieses Projekt muss man leider als gescheitert betrachten. Woran das im Detail liegt, kann ich nicht beurteilen, ich möchte darüber auch nicht spekulieren. Für mich steht aber fest, dass das Hin und Her in der Koalition der Gesellschaft als Ganzes geschadet hat. Es gibt keine verlässlichen Rahmenbedingungen, geschweige denn einen Fahrplan, an den sich die Industrie für ihre Planung halten kann.

Ich sehe aber auch keine andere Koalition, die regierungsfähiger ist als die Ampel.

Industrie

2024 steht eine Chemie-Tarifrunde an, und ich bin gespannt, was die Gewerkschaften fordern werden. Zum einen ist die hohe Inflation des vergangenen Jahres noch nicht vergessen, auch wenn sich das normalisiert hat. Auch zeichnet sich ein Mangel an Arbeitskräften ab, der demographisch bedingt ist und in der aktuellen politischen Lage nicht durch Zuwanderung ausgeglichen werden kann. Zum anderen ist die Industrie gerade stark unter Druck, weil vor allem in der Basischemie das alte Geschäftsmodell zusammengebrochen ist. Billige Energie ist Vergangenheit. Auch ein Industriestrompreis kann daran nichts ändern. Daher überlegen einige Unternehmen, die Produktion zu verlagern, was nicht im Interesse der Gewerkschaften ist.

Ein politisches Thema ist auch das geplante Verbot von PFAS, das viele Branchen in Panik versetzt hat. Sicher gibt es Anwendungen, wo es durchaus sinnvoll ist, keine fluorierten Verbindungen zu nutzen (Regenjacken…). Bei hochbeständigen Polymeren oder Eigenschaften wie niedriger Reibung muss man aber genauer hinschauen.

Übergreifende Themen

Über all dem gibt es Strömungen, die schon länger wirken, angefangen beim Klimawandel über KI und China.

Inzwischen sehen wir deutlich erste Auswirkungen des Klimawandels, auch in Europa, aber vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern. Auf diese Herausforderung müssen Politik und die Chemieindustrie schnell Antworten finden. Ein Buzzword dazu ist die Circular Economy. Darüber kann man einiges lesen, wirklich im Alltag sichtbar ist aber wenig bis nichts. Warum eigentlich?

Bei der KI ist es ähnlich. Es gibt viele Case-studies, aber wenige Anwendungen, die über die Nutzung von LLMs durch Mitarbeiter hinausgehen. Es gibt auch noch haufenweise ungeklärte Fragen, von Urheberrecht über Datenschutz bis zur Gefahr für Jobs oder für die Menschheit. Das ist kein chemiespezifisches Thema, aber ich denke, KI kann eine große Chance für die Chemie sein, weil man momentan sehr viele Dinge noch nicht weiß und nur empirisch erforschen kann.

Zuguterletzt schaue ich gespannt auf die Entwicklungen in China. Deren (E-)Automobilindustrie hat die deutsche längst abgehängt. Gleichzeitig schwächt sich das Wachstum ab, China ist politisch nicht mehr so wirklich neutral und dann ist da noch Taiwan.

Möchte hier jemand eine Prognose abgeben, was 2024 in China passiert? Ich habe wenig Ahnung, es wird aber einen großen Einfluss auf die Geschicke der deutschen Chemieindustrie haben.

Wandel in der Chemieindustrie

Die Industrie muss sich also in hohem Tempo an die Veränderungen anpassen. Jedes Unternehmen wird hier seinen eigenen Weg finden müssen, von Globalisierung über Spezialisierung. Die Summe der Entscheidungen wird die deutschen und europäischen Chemiestandorte prägen. Ich vermute, dass wir einiges an Basischemie verlieren und mehr an Dienstleistungen und Beratung sehen werden.

Außerdem hoffe ich auf einen Schub in Richtung circular economy. Lanxess z.B. arbeitet nach eigenen Angaben daran.

Was meint Ihr?

1 Gedanke zu „2024 – Wandel in der Chemieindustrie“

  1. „Ein Buzzword dazu ist die Circular Economy. Darüber kann man einiges lesen, wirklich im Alltag sichtbar ist aber wenig bis nichts. Warum eigentlich?“

    Kosten.

    Unsere aktuelle Raubbau-Wirtschaft arbeitet kostengünstiger als eine nachhaltige Zirkulärwirtschaft es könnte, weil Umweltzerstörung (z.B. Klimawandel, aktuelles Massenaussterben) und Gesundheitsfolgen (z.B. Umweltgifte, multiresistente Keime) nicht eingepreist sind. Außerdem ist die Linearwirtschaft seit langem etabliert, während in eine Zirkulärwirtschaft erst noch Entwicklungsarbeit und Ausbau der Infrastruktur investiert werden müssen, sowie ein sozialeres und verantwortungsbewussteres Verhalten der Menschen notwendig wäre (z.B. keine Sklavenhaltung oder sonstige Ausbeutung von Menschen mehr).

    Zirkulärwirtschaft wird sich meines Erachtens nach unter zwei Bedingungen durchsetzen: Entweder es gibt staatliche Vorschriften, die nachhaltigeres Wirtschaften erzwingen oder die zunehmende Verknappung von Ressourcen erzwingen einen Wandel.

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