2024 war nicht das beste Jahr für die deutsche Chemieindustrie. Für 2025 scheint es aber schon wieder Hoffnung zu geben. Oder ist das nur die Botschaft für die Börse?
Ich glaube auch ein eine moderate Verbesserung. Aber ich möchte hier mal drei unterschiedliche Szenarien skizzieren, wie das nächste Jahr für die chemische Industrie werden könnte:
- Langsame Erholung
- Beschleunigte grüne Transformation – schmerzhaft, aber zukunftsorientiert
- Abwanderung und Konsolidierung
Die Pharmaindustrie betrachte ich hier explizit nicht, für diese gelten andere Mechanismen, die ich nicht so ganz verstehe.
1. Langsame Erholung
Im Prinzip ist das der Status Quo fortgeschrieben. Die letztes Jahr getroffenen Maßnahmen greifen, die Unternehmen wachsen wieder langsam und ändern sonst nicht viel an ihren Geschäftsmodellen. Durch die Politik der neuen Regierung und die Energiewende wird Strom langsam billiger werden, außerdem greifen die Sparmaßnahmen der Firmen.
Gerade die Spezialchemie, die ja auch wenig Probleme gespürt hat, profitiert von diesem Szenario.
Ein Problem bleibt, das ist die Schwäche der deutschen Automobilindustrie, die ein großer Kunde ist. Daher wird ein größerer Anteil der Produkte für die Automobilindustrie ins Ausland verkauft werden.
2. Beschleunigte grüne Transformation
Die grüne Transformation zu 100% erneuerbaren Energien findet bereits langsam statt. Eine zweite Maßnahme, die von der EU geforderte Kreislaufwirtschaft hinkt noch etwas hinterher.
In diesem Szenario werden die beiden Projekte beschleunigt, was an strengeren Vorgaben der EU und höheren CO2-Steuern liegt. Eine Abwanderung ins Ausland wird durch CO2-Zölle zumindest teilweise unterbunden. Auch in China gibt es höhere CO2-Steuern.
Vieles in diesem Szenario hängt an politischen Vorgaben und Entscheidungen, aber den meisten Firmen-CEOs ist klar, dass die Transformation wichtig ist.
Schwierig ist, das bisherige System mit der Externalisierung der Kosten von Umweltverschmutzung usw. durch eines abzulösen, wo diese Kosten eingepreist werden müssen. Diese Änderung wird schmerzhaft werden, es wird Aufgabe der Politik sein, sie möglich zu machen, ohne die Industrie dabei zu verlieren. Niemandem ist geholfen, wenn mehr CO2 in anderen Ländern ausgestoßen wird, während hier hohe Arbeitslosigkeit herrscht.
In diesem Szenario werden deutlich weniger Produkte für die klassische Automobilindustrie wie Lacke, Gummi und Plastik produziert, und mehr hochwertiges Material für z.B. die Akkufertigung, nachhaltige Bauwirtschaft, Leichtbaumaterial.
3. Abwanderung und Marktkonsolidierung
Geht in Szenario 2 etwas schief, landet man hier. Durch hohe Energiekosten wandert zuerst die Basischemie in die USA und nach Asien. Die Spezialchemie wandert dann hinterher, um näher an ihren Rohstoffen und Kunden zu sein.
Im Besten Fall bleiben dann noch die R&D-Zentren und die hochmargige Spezialchemie in Europa.
Fazit
Die Entwicklung der Szenarien dauert natürlich länger als ein Jahr, aber bis Ende 2025 könnten wir schon ungefähr wissen, wo wir stehen. Ich halte Szenario 1 für relativ wahrscheinlich (60%), Szenario 2 gebe ich eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 30% und Szenario 3 von 10%. Am liebsten wäre mir Szenario 2.
Natürlich wird es je nach Teilbereich der Industrie unterschiedliche Entwicklungen geben und auf alle Fälle wird sich die Industrie (und die Gesellschaft mit ihr) schneller wandeln, als es bisher erfolgt ist.
Was meint ihr? Wie ist Eure Prognose?